Deutsche Bräuche, gute Bräuche

❅ Einen wunderschönen, schneeweißen Morgen ❅

 

Ich hoffe, ihr seid alle in festlicher Stimmung auf Weihnachten und könnt die Adventszeit trotz dem alljährlichen Einkaufs-Geschenke-Stress genießen.

Statistisch gesehen ist die Adventszeit die schwierigste Zeit für uns Freiwillige. Die Anfangszeit, in der man sich mit einem ständigen Hochgefühl im Bauch quasi auf alle neuen Aufgaben gestürzt hat und ganz erpicht darauf war, neues zu lernen, ist vorbei und der ganz normale Alltagstrott ist eingekehrt. Dazu kommt noch, dass Weihnachten die Zeit des Jahres ist, die man normalerweise mit seiner Familie verbringt. Wir Freiwilligen befinden uns jedoch wer weiß wie viele Kilometer von unseren Lieben entfernt und so schleicht sich besonders in der Vorweihnachtszeit das Heimweh ein. So wurde es uns zumindest auf dem Vorbereitungsseminar für unseren Freiwilligendienst erzählt.

Wie das mit Statistiken aber so ist, müssen sie nicht zwingend auf jeden zutreffen, und so tanze ich da etwas aus der Reihe. Natürlich ist hier trotzdem nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen! Würde ich euch erzählen, dass ich jeden Tag freudestrahlend und voller Energie und guter Laune in meinen Tag starte, wäre das eine große Lüge. Es gibt selbstverständlich Tage, an denen ich mich dreimal, viermal, fünfmal aufrappeln muss, bis ich aufstehe. Tage, an denen ich mich wirklich bemühen muss, geduldig und feundlich mit meinen Mitbewohnern im Haus umzugehen. Tage, an denen ich mich mit einem Seufzer von der Couch erhebe, wenn jemand meine Hilfe braucht. Und Tage, an denen ich mir wünsche, daheim in Deutschland in meinem gewohnten Umfeld zu sein, da meine Komfortzone in unserem Achtpersonen-Haushalt teilweise etwas überstrapaziert wird. Wenn man so fern von der Heimat ist, muss man jedoch einfach etwas kreativ werden und sich Stücke von ihr nach Kanada holen. Und gerade die Vorweihnachtszeit bietet dafür viele Möglichkeiten!

Das erste Stück, das den Heimatskuchen füllt, ist Sankt Martin am 11. November. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich im Kindergarten und später als Ministrant am Laternenumzug teilgenommen habe. Die bunten Lichter, die in der Dunkelheit hin und her gehüpft sind, die Lieder, die alle laut mitgegrölt haben, das Pferd, auf dem der Soldat Martin mit seinem roten Umhang saß und die Sankt-Martins-Plätzchen in der Form von Gänsen.

Da in unserer L'Arche Community verhältnismäßig viele Deutsche leben und arbeiten, war dieser deutsche Brauch bereits etwas in die Community durchgedrungen. So hatte Peter letztes Jahr mit seinen beiden Kindern Laternen gebastelt und einen kleinen Laternenumzug durch die Straßen Antigonishs unternommen. Als er mir das erzählte, witzelten wir zunächst noch, dass dieses Jahr aufgrund der vielen Deutschen Freiwilligen der Umzug die doppelte Teilnehmeranzahl aufweisen würde. Aus dem Herumscherzen wurde bald jedoch eine fixe Idee: Warum eigentlich nicht einen Laternenumzug à la german tradition organisieren?!

Wir informierten die Day Programs von unserem Plan und Steffi (ebenfalls eine Deutsche - wen wundert's noch!) versprach uns, die nötigen Sachen fürs Laternenbasteln zu besorgen. Ich konnte die anderen deutschen Freiwilligen ebenfalls von dem Vorhaben begeistern und so verbrachten wir unsere nächsten Mittagspausen gemeinsam im Studio beim Basteln. Nach zwei Basteleinheiten am Mittag und einer kleinen Nachtschicht konnten wir eine stolze Anzahl von 12 Laternen aufweisen.

Zu einem richtigen Sankt-Martins-Tag dürfen neben den Laternen die Plätzchen auf keinen Fall fehlen. Einen Ausstecher in Gansform konnten wir jedoch weit und breit nicht auftreiben und so musste uns der Plätzchenausstecher in Entenform genügen, den Peter irgendwo bei sich daheim ausfindig gemacht hatte. Naja, es war immerhin ein Vogel ☺

So geschah es also, dass am Freitag, den 11. November, eine Menschengruppe laut singend und mit bunten Laternen ausgestattet durch die Straßen Antigonishs zog. Es waren wirklich viele aus der Community gekommen, sodass wir eine stolze Gruppe von 20 Leuten waren. Im Vergleich zu letztem Jahr hatte sich die Zahl also nicht nur verdoppelt, sondern verfünffacht!

Unsere planmäßige Route sah folgende Wegstrecke vor: Beginn des Laternenumzugs war 18.30 Uhr im Dixie House. Von dort liefen wir (natürlich singend) zwei Straßen weiter zum Emmaus House. Nach einer kleinen persönlichen Singeinlage machten wir uns mit einer Verstärkung von zwei Mann weiter auf Richtung Downtown, da wir unserem ehemaligen Community Leader Gus und seiner Ehefrau Debby einen kleinen Überraschungsbesuch abstatten wollten. Hier entstand dann auch das schöne Foto.

Gus ist ebenfalls Deutscher (spätenstens jetzt sollte keiner mehr überrascht von dieser Info sein) und deswegen wollten wir ihm eine kleine Freude machen, indem wir die deutsche Tradition mit ihm teilen. Er freute sich tatsächlich sehr über unseren Besuch und unser Sankt-Martins-Ständchen. Dass er doch schon eine ganze Weile in Kanada lebt und die deutschen Bräuche eventuell nicht mehr alle ganz richtig im Kopf hat, wurde offensichtlich, als er begann uns Süßigkeiten zuzuwerfen. Das war dann doch eher etwas, was man an Fasching macht. Wenn ich daran zurückdenke, muss ich immer noch lachen - die Situation war einfach zu grotesk :D

Jeder mit einer Süßigkeit in der Tasche machten wir uns weiter auf zum Covenant House. Auch hier gab es wieder eine Singeinheit. So langsam kamen wir in Übung und das "Rabimmel, Rabammel, Rabumm" aus dem Lied "Ich gehe mit meiner Laterne" saß mittlerweile richtig gut. Auch vom Covenant House wurde unser Umzug von zwei Mann verstärkt und wir machten uns alle gemeinsam auf den Rückweg zum Dixie House. Dort gab es nämlich noch unsere selbstgebackenen Sankt-Martins-Gän... ähm Plätzchen. Gegen 21 Uhr verabschiedeten wir uns voneinander und besonders Peter und ich bedankten uns noch einmal bei jedem, der gekommen war und zu diesem wunderschönen Abend beigetragen hatte. Beim Verabschieden konnte man in allen Augen das Licht der Laternen weiter strahlen sehen ☆

Eine zweite schöne Tradition, die in Deutschland zur Vorweihnachtszeit dazugehört und deshalb ein Stück Heimat für mich bedeutet, ist Nikolaus. In Würzburg fährt um diese Zeit immer eine weihnachtlich geschmückte Nikolaus-Straßenbahn durch die Stadt und da wir direkt an einer Straßenbahnhaltestelle wohnen, bekomme ich diese oft zu Gesicht bzw. kann man sie auch schon immer von weit hören, da sie in einer ordentlichen Lautstärke Weihnachtslieder trällert. Ich wollte diese Tradition nutzen, um meinen Core Membern und Mitarbeitern eine kleine Freude zu machen. So kaufte ich Nüsse, Mandarinen und Schokolade und schlich mich nachts heimlich runter, um die Leckereien in deren Schuhen zu platzieren. Am nächsten Morgen war die Überrschung groß, als sich Michael, Tommy, Sachan, Elizabeth und Donny auf die Arbeit machen wollten und in ihren Schuhen die Süßigkeiten entdeckten. Und ich konnte mir ein breites Lächeln nicht verkneifen.

Denkt man in Deutschland an die Adventszeit, hat man Bilder von Weihnachtsmärkten mit Glühwein, Feuerzangenbowle und gebrannten Mandeln im Kopf. Man freut sich auf die Plätzchenback-Aktionen und den leckeren Geruch im Haus, wenn Oma wieder einen ihrer guten Christstollen vorbeibringt. Und natürlich findet man in jedem deutschen Haushalt einen Adventskranz mit vier Kerzen. Das alles gehört leider nicht zur kanadischen Tradition. Plätzchen backen? Glühwein? Adventskranz? Warum macht man das, was ist das? Diese Fragen musste ich beantworten, als ich von der typischen Vorweihnachtzeit in Deutschland erzählte. Zuerst war ich sehr enttäuscht, aber dann habe ich nachgedacht und mir wurde bewusst, dass Plätzchen und Glühwein glücklicherweise alles Dinge sind, die mit einem guten Rezept und den richtigen Zutaten recht einfach zu machen sind. Mittlerweile haben wir Deutschen tatsächlich schon dreimal Glühwein gemacht und die ersten selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen habe ich auch schon gegessen. Somit habe ich mir auch dieses Stück Heimat nach Kanada geholt.

Und damit ist die Kuchenplatte eigentlich auch schon fast völlig gefüllt. Einen Part kann man jedoch leider nicht so leicht auffüllen und das ist die eigene Familie und seine Freunde.

Sankt Martin, Nikolaus und unsere Glühwein und Plätzchenback Aktionen haben jedoch eine Menge Spaß gemacht und deswegen befindet sich auf jedem dieser Erinnerungs-Kuchenstückchen ein extra Sahnehäubchen. Und hat man nicht lieber drei Stück Kuchen mit Sahnehäubchen, als vier Stück ohne Topping?

In diesem Sinne, genießt die Adventswochen mit all den schönen, kleinen Dinge, die diese Zeit des Jahres mit sich bringt!

 

✪ Es grüßt euch ganz herzlich, Eure Sarah ✪

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Kommentare: 5
  • #1

    Dani (Samstag, 10 Dezember 2016 08:43)

    ....mal schaun, was er euch dann an Fasching zuwirft......;) :D
    herzliche Adventsgrüße aus der Heimat

  • #2

    Thomas (Sonntag, 11 Dezember 2016 12:13)

    Rabimmel zum Schiessen Rabumm

  • #3

    Angelika (Dienstag, 13 Dezember 2016 18:52)

    Toll, was du alles auf die Beine stellst! Deine Adventsdeko vom letzten Jahr habe ich wieder aufgestellt und sie erinnert mich täglich an dich!!! Herzlich Grüße

  • #4

    Andrea Hemm-Kuhn (Donnerstag, 15 Dezember 2016 09:48)

    Liebe Sarah, ganz herzliche Grüße von der Familie Kuhn! Wir denken an Dich und wünschen Dir ganz viele Advents- und Weihnachtsfreuden!! Herzlich Andrea

  • #5

    Christian Petter (Mittwoch, 21 Dezember 2016 22:43)

    :) ganz wichtig wird jetzt in den nächsten Tagen das Allgäuer Christbaum Loben :)

    Dabei besucht man sich gegenseitig und versichert dem jeweils anderen NIEMALS
    einen schöneren Baum gesehen zu haben als den des Besuchten.
    Darauf wird dann einer getrunken.

    Wenn man mehrere Nachbarn hat kann das anstrengend sein ...